Mani selbst sah sich in einer Tradition von Lichtaposteln, unter denen auch Buddha und Christus waren, die immer wieder auf die Erde gelangten, um den Menschen Offenbarungen zu bringen. Mani selbst betonte, daß er als einziger der Religionsstifter die Wahrheiten unverschlüsselt und ohne in Gleichnissen zu reden in eigenen Schriften niedergeschrieben habe. Daher sei seine Religion die einzige, die nicht durch falsches Verständnis verfälscht werden könne. Gleichzeitig wollte er alle Religionen in der seinen zusammenfassen, er sagt dazu selbst: "Die Schriften und die Weisheit und die Apokalypsen und die Parabeln und die Psalmen von allen früheren Kirchen haben sich in allen Orten versammelt und sind hinzugekommen zu meiner Kirche und haben sich hinzugesellt zu der Weisheit, die ich offenbart habe. Wie ein Wasser sich hinzugesellen wird zu einem anderen Wasser und sie zu vielen Gewässern werden, so auch haben sich die alten Bücher meinen Schriften hinzugesellt und sind eine große Weisheit geworden, derengleichen nicht verkündet worden ist unter allen alten Geschlechtern. Nicht sind geschrieben worden, noch sind offenbart worden die Bücher, wie ich (sie) geschrieben habe." Mani stiftete also bewußt eine Religion und schrieb seine Offenbarungen, also sein eigenes theologisches System in Büchern nieder. Eines der Bücher ist ein Buch der Zeichnungen, in dem er eigenhändig seine Lehren zeichnerisch niedergelegt haben soll – es ist von diesem Buch leider nichts erhalten. Geschichten berichten von Heilungen, die er als Arzt vollbracht haben soll. Bei der Ausbreitung in verschiedenste Gebiete war es entscheidendes Kennzeichen für den Manichäismus, daß er sich der jeweiligen Religion, die in der Umwelt herrschte, anpaßte. So wurden unter buddhistischem Einfluß entsprechende Züge in das System aufgenommen oder Namen anderer Religionssysteme inkorporiert. So heißt es z. B. in einem chinesischen kaiserlichen Edikt von 732: "Die Lehre des Mar Mani ist durch und durch ein verkehrter Glaube. Fälschlich nimmt sie den Namen des Buddhismus an und täuscht das Volk." Im Westen faßten sich die Manichäer als die eigentlich wahren Christen auf, die in der Tradition des Lichtapostels Christus stehen, dessen Sendung von Mani vollendet wurde. Kennzeichen des manichäischen Glaubenssystems ist ein uranfänglicher Dualismus von gut und böse. Am Anfang gab es zwei Prinzipien: das eine war der gute, große Vater, der im Lichtland wohnte, das andere der Fürst der Finsternis, der im Lande der Finsternis wohnte. Licht und Dunkelheit, gut und böse standen sich also von Anfang an gegenüber. Dieses herausragende Kennzeichen war auch von Immanuel Kant in einer Vorlesung über die philosophische Religionslehre hervorgehoben worden: "Da nun alles, was sich in der Welt zuträgt, entweder unter die Rubrik des Guten oder des Bösen sich bringen läßt; so nahm man eine Dualität Gottes an, ein principium bonum et malum. Und das war der Manichäismus." Die Schöpfung dieser Welt und des Menschen vollzieht sich, als das Finsternisreich die Lichtwelt angreifen will. Diese setzt sich dadurch zur Wehr, daß sie in das Finsternisreich Lichwesen schickt, die dort von fürchterlichen Wesen gefressen werden. Dadurch geriet aber etwas von der Lichtsubstanz in die Dunkelheit und vermischte sich mit ihr. Das Kampfgeschehen verlagert sich gewissermaßen an die Orte der Dunkelheit, so daß das Lichtland nicht mehr in Gefahr war. Der endgültige Sieg über die Finsternis kann aber nur davongetragen werden, wenn sich das Licht wieder von der schlechten Substanz trennt und in das Lichtland zurückgeführt wird. Der Vater der Lichter, wie der höchste Gott genannt wird, beruft daraufhin eine Reihe verschiedener Lichtgottheiten, denen diese Aufgabe zukommt.
Im Laufe dieses Prozesses wird die materielle Welt mit ihren Himmelsschalen geschaffen. Ebenso der erste Mensch Adam. Dieser schläft im Paradies einen tiefen Schlaf. Erschaffen von dämonischen Eltern gelangte über viele Umwege das Licht in ihn hinein, das anfangs in die Finsternis geschickt wurde. So ist der Mensch ein Wesen, das einen materiellen, negativen Körper und eine Seele aus Lichtsubstanz besitzt. Der Körper und seine Lüste und Begierden, allen voran natürlich die Sexualität versuchen den Menschen im tierischen Stadium zu fesseln. Nach dem Mythos kommt aber in der Erlösergestalt Jesus der Glanz ein Lichtwesen, das Adam vom Todesschlaf erweckt. Dieser ißt vom Baum des Lebens und erkennt seine Situation in der Gefangenschaft. Im Mythos heißt es: "Daraufhin wurde Adam sehend und weinte, er schrie mit lauter Stimme wie ein brüllender Löwe. Er raufte sich die Haare, schlug sich an die Brust und sprach: 'Wehe, wehe über den, der meinen Leib gebildet, und den, der meine Seele gefesselt hat, und die Rebellen, die mich unterjocht haben.'" An dieser Stelle können nicht die vielschichtigen Zwischenschritte und Erzählungen des Mythos aufgezeigt werden. Wichtig ist die Erwähnung, daß es nach manichäischer Auffassung drei Zeiten gibt, in denen sich alles kosmologische Geschehen einordnen läßt: Die Zeit des Anfanges, in der es die beiden Prinzipien gab, die Zeit der Vermischung und die dritte Zeit, in der der Anfang wiederhergestellt wird. Die besondere Rolle und Bestimmung des Menschen, der in dieser finsteren, materiellen Welt einen Hort des Lichtes darstellt, besteht darin, in der Zeit der Vermischung zur Trennung von Licht und Finsternis beizutragen. Die Lichtsubstanz, muß dazu gesagt werden, befand sich nach dieser Auffassung nicht nur im Menschen, sondern auch verstreut in der Welt. Wie in der Gnosis herrschte eine starke Verneinung des Körpers vor. Der Zeugungstrieb wurde besonders stark verdammt, da durch neue Kinder immer wieder das Licht an die Körper gefesselt wird. Denn nach dem Tode eines Menschen besteht die Möglichkeit, daß sich seine Seele zum Lichtland erhebt und damit zur letzten Erlösung aufsteigt. Hatte der Mensch nicht nach entsprechenden Regeln gelebt oder war kein Manichäer, so wurde seine Seele aufs Neue in der Welt inkarniert. Die Gemeinde war geteilt in zwei Gruppen von Gläubigen, den Electi oder Auserwählten und den Katechumenen oder Hörern. Die Electi führten ein streng asketisches Leben, hatten keinen Besitz, enthielten sich jeglicher Sinnesfreude und versuchten so ein reines Leben zu führen. Ernährt wurden sie von den Katechumenen, die Besitz haben durften und verheiratet sein konnten. Die Almosen, die die Electi von den Katechumenen erhielten, bestanden aus bestimmten Früchten, die allein verzehrt werden durften, denn Fleischgenuß war zu unrein. Bei der Verzehrung dieser Früchte in bestimmten Zeremonien, unter Gebeten etc. konnte das in diesen Früchten liegende Licht freigesetzt werden. Der Kirchenvater Augustinus äußerte nach seinem Austritt aus der manichäischen Religion über diese Praxis, daß also durch das Rülpsen eines Electus Licht freigesetzt würde. Ein Forscher bezeichnete die Electi einmal als "Destillationsapparate" für das Licht. In der Gemeindefrömmigkeit war insbesondere der Psalmengesang wichtig. Jährlich wurde das Bemafest am Todestage Manis am Nachmittag mit einem Gedächtnis an seine Passion begangen. Es schloß sich eine Nachtwache an, an deren Ende der Gemeinde die Sünden vergeben wurden. Mani wurde verehrt als Erlöser, der wieder zum Lichtreich aufstieg und die bösen Mächte der Welt dabei besiegt hatte. Eine weitere Gemeindeeinrichtung waren Totenmessen, in denen versucht wurde durch bestimmte Gebete den Aufstieg einer Seele zum Lichtland zu ermöglichen.
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