Der Fund der bislang ältesten manichäischen Originalschriften wurde dagegen in Ägypten im Jahre 1930 gemacht und zwar in Medinet Madi, einem Ort im Faijum. Am 29. November 1929 bekam der dänische Ägyptologe H.O. Lange als erster Gelehrter einen dieser Papyri zu Gesicht. Monate zuvor müssen ägyptische Fellachen diesen Fund gemacht haben. Der Koptologe Carl Schmidt identifizierte 1930 den Fund als erste manichäische Originalschriften, die auf ägyptischem Boden gefunden wurden. Die insgesamt sieben Papyrusbücher wurden nach seinen Recherchen in einem alten Wohnhaus in einer Holzkiste entdeckt, von Deckeln aus Holz umgeben. Durch Feuchtigkeit waren sie von Salzkristallen durchsetzt und von Ungeziefer angenagt. Der Papyrushaufen war zuvor von drei Händlern in acht Teile aufgeteilt worden. Wegen dieser Aufteilung und wegen eingeschränkter finanzieller Mittel, die C. Schmidt zur Verfügung standen, gelangte nur ein Teil in die Papyrussammlung der Staatlichen Museen zu Berlin. Der andere wurde von Sir Chester Beatty, einem Minenbesitzer, für seine Sammlung (heute die Chester Beatty Library in Dublin) erworben, acht Fragmente gelangten in die Papyrusabteilung der Wiener Staatsbibliothek. Die Papyrushaufen befanden sich in einem absolut schlechten Zustand. Berliner Restauratoren gelang es dennoch vor dem Weltkrieg eine Zahl von über 1000 Seiten zu retten. Das Problem lag darin, aus einem zerklumpten Haufen einzelne Blätter zu lösen. Dies gelang unter anderem durch eine schiefe Ebene, mittels der sich die Blätter durch ihr Eigengewicht von den anderen lösen konnten. Einer dieser Haufen wurde damals wegen seines Aussehens als Perücke bezeichnet und von Journalisten mit einem Fußabtreter in Verbindung gebracht. Einer der Restauratoren berichtete darüber, daß er während dieses Loslösungsprozesses plötzlich niesen mußte und sich das Blatt, daß er vor sich hatte, umgehend in Staub auflöste.
Obwohl inzwischen über 60 Jahre seit dem Fund vergangen sind, der die ältesten Originalschriften der 4. Weltreligion enthält, sind erst ca. die Hälfte der Papyri gelesen und damit der Forschung zugänglich gemacht. Vor dem 2. Weltkrieg begann parallel zur Restaurierung des Fundes eine rege Editionstätigkeit. Von dem jungen Engländer C.R.C. Allberry wurde die Hälfte eines gefundenen Psalmenbuches veröffentlicht. Auf deutscher Seite lieferte der Ägyptologe und Sprachwissenschaftler H.J. Polotsky eine Ausgabe von manichäischen Predigten und etwa die Hälfte von einem Kodex mit theologischen Lehrtexten für die Gemeinde. Die Nazizeit und der zweite Weltkrieg beendeten auf jähe Art und Weise diese wissenschaftliche Arbeit. Polotsky mußte als Jude noch vor Ausbruch des Weltkrieges Deutschland verlassen. Die Arbeit wurde vorerst von A. Böhlig weitergeführt, der übrigens in Münster eine Doktorarbeit über die Verwendung der Bibel bei den Manichäern geschrieben hat. Der damals in die schwierige Entzifferung der Papyri eingearbeitete Allberry fiel im Jahr 1943 als Besatzungsmitglied eines Bombers der Royal Air Force. Die Papyri selbst wurden während des Krieges in einen Berliner Flakturm ausgelagert. Nach Beendigung des Krieges wurden mehrere in Glasscheiben befindliche Papyrusblätter nach Russland verfrachtet. Einige Stücke wurden in Polen auf der Zugfahrt abgefangen. Die Papyri selbst waren wertlos, aber die Glasscheiben kostbar, so daß auf diese Art und Weise einige Stücke verloren gingen.
In jüngster Zeit wurden in der Oase Dachla neue Originaltexte von Anhängern dieser Religion gefunden.
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